Projekthintergrund und Zielsetzung

Die Ausgangssituation für das Projekt bildet der weitreichende Wandel der Gleichstellungspolitik in der Wissenschaft, der in den letzten Jahrzehnten fortschreitet. Von der Institutionalisierung der Frauenförderung, der Verabschiedung gesetzlicher Grundlagen für gewählte Vertreterinnen und Beauftragte hat sich im Zuge der Transformation des Wissenschafts- und Hochschulsystems auch die Gleichstellungsarbeit verändert. Die Etablierung neuer Governanceformen und veränderte Erwartungen an den gesellschaftlichen Auftrag von Hochschulen haben dazu beigetragen, dass Gleichstellung aus der Nische der Frauenförderung herausgehoben und als inhärente Aufgabe von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen etabliert wurde.

Im Zuge dieser Transformation wurden seit den 1990er Jahren auf unterschiedlichen politischen Ebenen Programme und Instrumente zur Steuerung von Gleichstellung in Hochschule und Wissenschaft eingeführt sowie Empfehlungen ausgesprochen. Zu diesen Steuerungsansätzen gehören u.a.:

  • Auf der Ebene des Bundes Maßnahmen wie das Professorinnenprogramm und Frauen an die Spitze; Zielquoten für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Rahmen des Pakts für Innovation und Forschung
  • Landesprogramme wie z.B. das Berliner Chancengleichheitsprogramm, das Landesprogramm für geschlechtergerechte Hochschulen NRW, die niedersächsische Dialoginitiative Geschlechtergerechte Hochschulkultur, Berichtspflicht im Rahmen der Landesgleichstellungsgesetze, Zielvereinbarungen zwischen Länden und Hochschulen im Rahmen von Hochschulverträgen
  • Entsprechende Paragraphen in der Hochschulgesetzgebung sowie Satzungen zu Frauenförderung
  • Hochschul- und wissenschaftspolitische Initiativen und Empfehlungen
  • Auf der Ebene der Hochschulen Frauenförderrichtlinien; Zertifizierungen wie Total-E-Quality, audit familiengerechte hochschule; zentrale und dezentrale Gleichstellungskonzepte; Gleichstellungs- und Frauenförderpläne; Integration in Steuerungsinstrumente wie Zielvereinbarungen und Leistungsorientierte Mittelvergabe; vielfältige aufeinander abgestimmte Einzelmaßnahmen
  • Frauenförderprogramme und Zielquoten auf der Ebene der außeruniversitären Forschungseinrichtungen

Dennoch wird Gleichstellung als Ziel von Hochschul- und Wissenschaftspolitik erstens bisher wenig synchronisiert, zweitens nur punktuell und wenig nachhaltig und drittens wird wenig verbindlich gesteuert. Zudem fehlt viertens die explizite Adressierung des Kulturwandels bei den unterschiedlichen Steuerungsinstrumenten.

Das Projekt basiert auf der Annahme, dass die systematische Diskussion bisheriger gleichstellungspolitischer Steuerungsansätze im Sinne einer Bestandsaufnahme mit einer differenzierten Analyse der Kultur auf Ebene der Wissenschaftseinrichtungen sowie der Disziplinen verbunden werden muss, um neue Perspektiven und Umsetzungsstrategien von gleichstellungspolitischer Steuerung zu erarbeiten. Um entsprechend neue inhaltliche Impulse in die hochschulpolitische Debatte einzubringen und innovative Instrumente zu entwickeln, werden die Reflexion bisheriger Steuerungsprozesse, die Sichtung internationaler Good-Practice-Beispiele und die praxisorientierte Auseinandersetzung mit der Forschung zu Wissenschaftskultur und Geschlecht gebündelt und miteinander verzahnt.

Es ist davon auszugehen, dass es zukünftig ineinander verzahnter Initiativen und gleichzeitig allgemeiner wie spezifischer Standards bedarf, deren Umsetzung kontinuierlich überprüft wird, um zu gewährleisten, dass die Wissenschaftskultur flächendeckend gleichstellungsgerecht gestaltet ist und nicht von einer Forschungseinrichtung zur anderen differiert.